Die gegenwärtige Ausgabe des Agricola hat ihren Ursprung in meinem Wunsche, der studierenden Jugend von den Früchten meiner langjährigen Beschäftigung mit Tacitus etwas mitzutheilen. Ich habe hierzu den Agricola gewählt, weil ich gerade ihn zur Einführung in die Lektüre des Tacitus für vorzugsweise geeignet halte. Die Sprache ist zwar in dieser ersten seiner historischen Schriften für die damit neu begonnene Stilgattung noch nicht so vollkommen ausgebildet, wie in den späteren grossen historischen Werken; es fehlt nicht an Stellen, wo das Streben nach Kürze statt zu dieser vielmehr zu einer gewissen Härte geführt hat; auch wird man hier und da in einzelnen Spracherscheinungen, wie z. B. in den nicht seltenen Pleonasmen, ein nicht vollkommen gelungenes Ringen nach dem treffendsten Ausdruck erkennen dürfen; endlich ist auch namentlich in den besonders häufigen Antithesen und Anaphern und in den nicht zu verkennenden Spuren von Nachahmung des Cicero die Nachwirkung der rhetorischen Studien deutlich sichtbar, die er bisher (wie wenigstens mit grosser Wahrscheinlichkeit vermuthet wird) in der Schule Quintilians getrieben hatte. Indessen ist es vielleicht ein besonderer Vortheil, dass sich der historische Stil des Tacitus im Agricola in seiner ersten Entstehung zeigt und sonach gewissermassen ein Einblick in die Werkstatt des Autors gestattet wird, und gerade in dem Ringen nach dem treffendsten und kürzesten Ausdruck tritt oft der Gedanke am wirksamsten hervor. Ist also die Schrift hinsichtlich der Sprache nicht ungeeignet und hat sie für unsern Zweck vielleicht sogar auch in dieser Hinsicht einen gewissen Vorzug, so empfiehlt sie sich ganz besonders durch ihren Inhalt. Sie ist erstens eine (in einen engen Rahmen gefasste) Biographie und gehört also derjenigen Literaturgattung an,
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